Süddeutsche Zeitung: Münchnerin der Woche

Am 14. Februar 2022 erlebten wir eine große und beglückende Überraschung bei der morgendlichen Zeitungslektüre: Sabine Buchwald hatte mich mit den „Nazinen“ zur „Münchnerin der Woche“ ernannt. Danke!

Durch Zufall, sagt Julia Cortis, 52, sei sie auf Hermynia zur Mühlen (1883-1951) gestoßen. Es war viel mehr ein Glücksfall, dass sie den Bücherschrank vor dem Nordbad öffnete. Dort fand die Münchnerin zur Mühlens Roman „Unsere Töchter, die Nazinen“. Cortis, als Sprecherin, Moderatorin und Schauspielerin immer auf der Suche nach neuen Texten, blätterte in dem etwas abgegriffenen Buch. Sie fühlte sich augenblicklich hingezogen zu dessen antifaschistischem Inhalt und fand Gefallen am Stil der Sprache, der über „proletarische Romantikliteratur“ seiner Entstehungszeit hinausgehe. Geschrieben hat ihn die Autorin unter dem Eindruck der politischen Entwicklungen im Deutschland der Dreißigerjahre. Die erste Ausgabe erschien 1935. Das Buch handelt von drei Familien unterschiedlicher Schichten in einer Kleinstadt am Bodensee. Der Fokus liegt auf den Müttern und deren Töchtern, die sich pubertären Träumen hingeben – und der Nazi-Propaganda. Zum 70. Todestag von Hermynia zur Mühlen hat Cortis vergangenes Jahr das Hörbuch zu dem Roman eingesprochen. Bei der Beschäftigung mit der Autorin stellte Cortis fest, dass sie beide englische Wurzeln haben und den Hang, „über den eigenen Tellerrand hinauszusehen“. Mit Katharina Manojlovic vom Literaturmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek und LMU-Professor Sven Hanuschek wird Cortis am Mittwoch, 16. Februar, 19 Uhr, im NS-Dokumentationszentrum über zur Mühlen, ihre Zeit und ihre Werke sprechen. Zu hören sind auch Ausschnitte aus dem Roman. Der Eintritt ist frei, eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Tagesaktuelle Corona-Regeln unter: www.ns-dokuzentrum-muenchen.de.

 

Aus der Hörbuchkritik von Florian Welle in der SZ am 19. August 2021