Die Schauspielerin Julia Cortis und der Musiker Alex Haas (Unsere Lieblinge) pfeifen auf falsche Bescheidenheit, wenn sie für ihre neue Revue trommeln, in der sie – erhellend der Titel – „Alten Resten eine Chance“ geben, und das auch noch als „Weltpremiere“. Musikalisch wiederverwertet werden mehr als einhundert Jahre deutsche Kleinkunst, Kabarett und Schlagerparade von Friedrich Hollaender über Claire Waldoff und Bill Ramsey bis zu Element Of Crime. Unterstützung bekommen sie dabei vom Musiker Sinisa Horn und dem Kabarettisten Florian Hoffmann („Totales Bamberger Cabaret“).
Was mit leicht erhobener Augenbraue am 26. Juli 2019 in der Süddeutschen Zeitung angekündigt wurde, versprach nicht zuviel. „Der Lack ist bei uns beiden zwar schon ab“, singt Sven Regener von Element of Crime, „doch alten Resten eine Chance, mal sehen, ob es noch klappt.“ Warum nicht? Gesagt, geprobt. Gespielt, getanzt, gelacht und herrlich schön gesungen, das Geliehene und neu Interpretierte, wir vier, ob a capella oder in voller Sounddichte mit Streichern und Bläsern: „Die Sünden wiegen schwer, doch begehen kann man nie genug – Egal, wer oben liegt. Deine Hand in meinen Haaren, mein Gebiss an deinem Hals“ – und spätestens hier wusste das Publikum nicht mehr recht, worauf es sich an einem dieser schönen Sommerabende im Ebenböck-Park mit uns eingelassen hatte. Nur soviel: es wurde wild.
Identifikationsmomente für den Konzertbesucher gab es zahlreiche, etwa mit Olli Dittrich, der sich im Hier und Heute und damit in einem Panik-Strudel der schönsten Shoppingerlebnisse wiederfindet:
„Ich komme aus dem Supermarkt,
Die Tüte überfüllt.
In Eile alles reingestopft,
Kein souveränes Bild.
Gemüse, Flaschen, Dosen, Mehl,
Recht stramm, das kann man sehn,
Doch bis zum Auto wird der Sack
Das ja wohl überstehn.“
Jahaaa, das wird noch richtig schnell, bestes Sprechtempo auf 190, und die Tüte hält es nicht. Kamma nur sagen – mit Pigor und Eichhorn: „Da hat, da hat, da hadda Heidegger wiedama recht! Da hadda, da hadda Heidegger wiedama recht!“
Auch schön schaurig Makabres gab’s in unserem fein ausgewogenen Programm, wenn etwa der Neffe um die Jahrhundertwende aus Frank Wedekinds böser Feder direkt in den Keller springt und meuchelt:
„Was nutzt es, dass sie sich noch härme –
Nacht war es rings um mich her –
Ich stieß ihr den Dolch in die Därme,
Die Tante schnaufte nicht mehr.“
EIn letzter Ausatmer in Moll. Sex kam mit Ulrich Roskis Altmännerfantasien auf der griechischen Insel Lesbos auf seine Kosten, wenn auch nur als Erinnerung der einst straffen Lenden, deren Ergüssen Claire Waldoff schon vor einhundert Jahren den Kampf ansagte:
„Raus mit’n Männern aus’m Dasein
Und raus mit’n Männern aus’m Hiersein
Und raus mit’n Männern aus’m Dortsein
Sie müssten längst schon fort sein
Ja, raus mit’n Männern aus’m Bau
Und rin in die Dinger mit der Frau!“
Und wenn uns dann schließlich Loriots Wum ein Lied singt, schunkelt der kleine Hund mit der gesamten ersten Reihe zu Melodien, die wir vor zwanzig Jahren noch gar nicht lustig fanden. Aber sie sind es!
„Ich wünsch mir ne kleine Miezekatze für mein Wochenendhaus
Der schenk‘ ich eine Luftmatratze
Und eine Spielzeugmaus
Ihr singt dauernd solche Liebeslieder
Vorne und hinten mit Schmalz
Ach, die hängen mir immer wieder
So aus’m Hals!“
Jetzt bleibt mir nur noch: „Manamana.“ Für’s nächste Programm.